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Neuapostolisches Gesangbuch von 1925 – Onlineausgabe

Geschichtliches zum Neuapostolischen Gesangbuch von 1925.

In den Jahren 1908 bis 1910 wurde zum ersten Mal ein Gesangbuch mit dem Namen „Neuapostolisches Gesangbuch“ veröffentlicht. Der Hauptteil umfasste 650 Lieder, dazu 50 Chorstücke, 13 liturgische Sätze und Anhänge. Die Auswahl der Stücke und der teils mangelhafte Tonsatz der Notenfassungen konnten auf Dauer aber nicht befriedigen.

Im Februar 1925 wurde die Überarbeitung des Neuapostolischen Gesangbuchs konkret. Sie umfasste dabei ausschließlich den Hauptteil des Gesangbuches, die Anhänge von 1908/1910 wurden gestrichen. Ein kurzer Artikel in der „Wächterstimme aus Zion“ vom 22. Februar 1925 behandelt einige Aspekte des Projekts:

„Der Liedertext des Gemeindegesangbuches ist auf Anordnung des Apostelkollegiums einer gründlichen Durchsicht und teilweisen Neubearbeitung unterzogen worden. Von den bis jetzt im Gebrauch befindlichen 650 Liedern bleiben ca. 300 mit unverändertem Text, während 100 Lieder teilweise Abänderungen erfahren haben. 250 Lieder kommen in Wegfall und sind durch neue ersetzt worden. […]

Der Einführung der neuen Gemeindegesangbücher wird eine Übergangszeit vorausgehen, während der die alten Bücher noch in Gebrauch bleiben und nur die Lieder gesungen werden, die unverändert geblieben sind und die gleichen Nummern im alten und im neuen Gesangbuch aufweisen.“

Dieser Austausch alter Lieder durch neue mit der gleichen Nummer führt dazu, dass das vorliegende Buch innerhalb der Rubriken kein durchgängiges (alphabetisches) Sortierschema aufweist.

Die Namen der Bearbeiter von 1925 bleiben dabei im Dunkeln. Der Älteste Friedrich Linde, von dem sich Dichtungen und Kompositionen im Gesangbuch finden, dürfte dabei eine Rolle gespielt haben, ebenso der bedeutende neuapostolische Komponist Emanuel Gohle, dessen Werke ebenfalls Eingang in das vorliegende Buch fanden.

Zur Übergangsphase im Jahr 1925 erläutert die „Wächterstimme aus Zion“ in einem weiteren Beitrag am 31. Mai 1925:

„In dem Inhaltsverzeichnis der neuen Ausgabe sind die neuaufgenommenen Lieder mit einem ∗, die teilweise geänderten mit einem † versehen worden, so daß also in der Zeit des Übergangs nur die nicht weiter bezeichneten Lieder gesungen werden können.“

Die im Archiv Brockhagen vorliegenden und mit „Ausgabe 1925“ betitelten Exemplare enthalten jedoch nicht die angeführten Kennzeichnungen, weil sie womöglich schon nach der angestrebten Übergangszeit gedruckt und rückdatiert wurden. Unerwartet tauchten die Kennzeichnungen bei der Recherche zu dieser Ausgabe in einem Gesangbuchdruck des Jahres 1950 aus der frühen DDR wieder auf7 – womöglich wurden hier die ursprünglichen Druckplatten verwandt, damit der in Frankfurt/Main ansässige Verlag nicht die aktuell verwendeten Platten nach Ostdeutschland versenden musste.

Das resultierende Buch enthält 652 Texte – die Textausgabe wurde zuerst veröffentlicht und nach ihr richteten sich die späteren vierstimmigen Chor- und Begleitausgaben. Die Einführung des Buchs zog sich in Ermangelung der Notenausgaben offenbar hin. Erst am 1. April 1927 berichtet die „Wächterstimme aus Zion“ davon, dass nach der nun verpflichtenden Einführung des Buchs zum 1. Januar 1927 eine Bestellflut eingesetzt habe.

Bemerkenswert ist, dass von 1925 bis 2005 keine Bearbeitung der Textausgabe nachzuweisen ist, mit Ausnahme kleiner Korrekturen am Textkörper. Zu 13 Texten waren in den Notenfassungen zwei verschiedene Versionen ausgesetzt, was zu einer Gesamtzahl von 665 Notensätzen im Chorgesangbuch und im „Melodienbuch“, dem Begleitbuch zum Gesangbuch, führte. Allerdings wurden zahlreiche Texte auf einer gemeinsamen Melodie gesungen, so dass sich nach Zählung des Herausgebers nur 334 untereinander verschiedene Notensätze in den Notenfassungen des Gesangbuchs finden. Die beliebteste Melodie war „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ (Nr. 44), die neben dem Originaltext insgesamt 20 weiteren Texten unterlegt wurde. In zwei besonderen Fällen (Nummern 342 und 638) verweist das Textgesangbuch auf Alternativmelodien, die in den Notenfassungen nicht als eigene Versionen ausgesetzt wurden.

Das Gesangbuch von 1925 enthält einen erheblichen Anteil an Erweckungsliedern meist amerikanischen Ursprungs und hier wiederum eine bemerkenswert große Anzahl von Stücken, die durch den bekannten Methodistenprediger Ernst Heinrich Gebhardt übersetzt, komponiert und veröffentlicht wurden. Die vorliegende Ausgabe weist ihm 45 Neuschöpfungen und Textbearbeitungen sowie neun Melodiekompositionen zu, und es ist wahrscheinlich, dass ihm noch weitere Stücke zugeordnet werden müssen. Gebhardt trug auch maßgeblich zur Verbreitung weiterer Übersetzungen amerikanischer Erweckungslieder bei, die sich ebenfalls in diesem Buch finden, zum Beispiel die Texte von Theodor Kübler. Weitere Autoren der deutschen „Gemeinschaftsbewegung“ wie Johanna Meyer und Dora Rappard-Gobat sind ebenfalls vertreten. Sie schufen Ende des 19. Jahrhunderts die Musik, die einige Jahrzehnte später innerhalb der Neuapostolischen Kirche als „typisch neuapostolisch“ wahrgenommen wurde – nicht nur in Deutschland, sondern auch in zahlreichen weiteren Ländern, in deren Sprachen dieses Buch übersetzt wurde.

Auch für aus der Neuapostolischen Kirche entstandene Gemeinschaften wurde das Gesangbuch von 1925 stilprägend. Genannt sei hier beispielhaft die Apostolische Gemeinschaft, deren 2005 neu veröffentlichtes Gesangbuch „Singt dem Herrn“ auch zahlreiche Stücke aus dem vorliegenden Buch enthält. Das zuvor verwendete Gesangbuch der Apostolischen Gemeinschaft von 1959 war ein leicht gekürzter Nachdruck des vorliegenden Buches unter Verwendung einer anderen Nummerierung und mit leichten Textänderungen.

Zahlreiche Ansätze zu einer Reform des Gesangbuchs von 1925 sind bekannt. Schon 1937 wurde in der Apostelversammlung vorgeschlagen, „ein neues Gesangbuch mit nur etwa 250 Liedern, die unserem Geist entsprechen, herauszugeben“. Ein Beschluss ist nicht bekannt.

Im Jahr 1947 veröffentlichte der Apostelbezirk Hamburg eine verkürzte Ausgabe mit 342 Liedern, deren Umfang einen Überblick über die damals dort populären Stücke geben kann.8

Auch die 2004 zum ersten Mal veröffentlichte Liste von 50 Liedern für den internationalen Gebrauch der Neuapostolischen Kirche (z. B. bei Gottesdienstübertragungen) griff maßgeblich auf das vorliegende Buch zurück. Sie kann ebenfalls als eine Art Kanonisierung neuapostolischen Liedguts betrachtet werden und greift im Wesentlichen die Stammlieder auf, die schon 1910 bzw. 1925 im Gebrauch waren.

In den 1980er Jahren wurde ein neuer Anlauf für eine Gesangbuchreform gestartet, auch dieser Ansatz jedoch nicht zum Abschluss geführt. Erst mit der Herausgabe des Gesangbuchs der Neuapostolischen Kirche 2005 wurde das vorliegende Buch in der Neuapostolischen Kirche weitgehend aus dem Gebrauch genommen.

7 Neuapostolisches Gesangbuch, Lizenzausgabe 1950 für den Bereich der DDR, Druck: Engelhard-Reyhersche Buchdruckerei Gotha, Hermann Beyer & Söhne (Beyer & Mann), Langensalza. 375 S. Archiv Brockhagen, Nr. 06078.

8 Neuapostolisches Gesangbuch, Verkürzte Ausgabe 1947, Verlag der Neuapostolischen Kirche, [Druck] L. Reimers, Hamburg. 145 S. Archiv Brockhagen, Nr. 05228.